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Aus "Neudammer Tageblatt" vom 22.Juli 1929 Verlag J.Neumann-Neudamm
Ein Stück ältester Neudammer Tradition verfällt heute dem Hammer des Maurers und der Axt des Zimmermanns. Das historische Färbehaus wird abgebrochen, es fällt der Verkehrsbereinigung an dieser Ecke zum Opfer. Wenn es auch nicht zu den Schönheiten unserer Stadt gehörte, so wird es doch vielen, und insbesondere den alten Neudammern, recht leid tun, das alte Gebäude missen zu müssen. Die Tuchmacherinnung, der das Haus gehörte, ist nicht mehr. Der Zunftschatz ist ins Heimatmuseum gewandert, die Akten des Gewerks stecken im Stadtarchiv und das letzte Zeichen eines ehemals blühenden Handwerks sinkt in Staub und Trümmer. Wehmut muß uns ergreifen, wenn wir sehen, wie all das, an dem unsere Herzen hängen, eines Tages vergehen muß. Laut Innungsbeschluß wird das Färbehaus abgebrochen und somit die Innung als nicht mehr bestehend betrachtet. Nun sinkt der einstmals stolze Bau, den ehrsame Tuchmachermeister mit freudestrahlendem Blick umstanden, in staubige Trümmer. Das Altmaterial wird in neuen Gebäuden Auferstehung feiern. Das Färbehaus, d.h. das kleinere Gebäude, wurde im 17.Jahrhundert zusammen mit einer Wohnung für den Gewerksboten erbaut. Das Wasser zum Spülen und Färben entnahmen die Tuchmacher durch einen Graben aus dem Amtssee. Schwitzend und pustend standen die Wäscher und Färber an den brodelnden Kupferkesseln, in denen die Tuche gewaschen und gefärbt wurden. Hier wurden die Tuche zurechtgemacht, die auf den damaligen Messen und Märkten gerne gehandelt wurden. Ein gut Stück des tuchgewerklichen Lebens spielte sich in diesen Hallen ab. Im Jahre 1838 machte sich der Anbau des großen Färbehauses notwendig, dem 1869 ein Anbau angegliedert wurde. 1862 wurde die neue Spüle erbaut, in der heute noch das Wasser aus den alten Holzhähnen in die Kübel und von dort aus wieder zurück in den Mühlgraben rauscht. Zu dieser Zeit war die Innung im Besitz von 15 großen Kupferkochkesseln, in denen all das Tuch, in einem Jahr sogar 1422 Stück, gefärbt wurde. Allmmählich geriet das Haus in Verfall. Die Tuchmacherkunst ging an die Fabriken über, das Gerät fand andere Besitzer und Krieg und Inflation fanden Verwertung für die Kupferkessel. Im vergangenen Jahre wanderten auch die drei letzten in andere Hände. In dem hohen Giebeldach nisteten allerlei Vögel, auf den Böden raschelten Ratten und Mäuse, und Spinnen zogen ihre Netze kreuz und quer. Die Räume, in denen bisher emsiger Gewerbefleiß waltete, lagen still und kaum betreten. Sie hüteten vielfach Waren und Gegenstände, die bisher nie Zutritt zu diesen Räumen gefunden hatten. Die Schulbuben kletterten verstohlen auf das Dach und durch die Luken, standen staunend und gruselig in den hohen Kammern und traten nur ängstlich in die kühle Spüle, in der das Wasser murmelnd und glucksend von alten, vergangenen Tagen erzählt. In einigen Tagen wird das Färbehaus nicht mehr sein. Die Promenade wird über die Stelle führen, die einst fleißigen Arbeitern Verdienst brachte. Spätere Generationen werden vielleicht daran denken, daß dort, wo sie einhergehen, einmal ein Gebäude stand, das ihren Vorfahren lieb und wert war.
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