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von Dr. Burkhard Regenberg +

 

Die beiden Glocken auf dem 1907 erbauten Rathausturm, die nach dem Abbruch des alten Turmes jahrzehntelang unbenutzt und halbvergessen auf dem Rathausboden lagerten, waren zwei wertvolle Erinnerungsstücke. Eine bequeme, eiserne Wendeltreppe führte im Innern des schlanken und stattlichen, 30 Meter hohen Turmes zu der luftigen Höhe oberhalb der Uhr, wo die Glocken hingen. Sie hatten, wie auf den ersten Blick zu erkennen war, ein ehrwürdiges Alter. Das bestätigten auch die Umschriften. Am oberen und unteren Rande waren beide Glocken mit stehenden Blattornamenten verziert, außerdem befand sich unterhalb der Schrift noch ein rundherumlaufender Rosenzweig.

Auf der Vorderseite der größeren Glocke, welche die vollen Stunden schlug, befand sich folgende Inschrift:

Dieser im Jahr 1761 abgebrannte Thurm wurde sammt Uhr und Glocken im Jahr 1794 neu wieder Hergestellt. Durch die Beyträge der loebl. Burgerschaft hierselbst und vorzueglich auch des Kaufmanns Herrn G.S. Deutsch zu Franckfurth a.O.

Auf der Rückseite stand:

Stadt Neudamm 1794 (dazwischen Stadtwappen) Commissarius Loci Herr Kriegs- und Domainenrath Gülle. Magistratus F.W. Nauwald. I.F. Rosenthal. C.F. Fetting. Cons.Dir. Caemerear. ET Senat. Senator.

Die Inschrift auf der kleineren Glocke lief rundherum und lautete:

Gegossen von Joh. Christ. Fischer zu Koenigsberg i.d.N. Neudamm 1794. Viertelsmänner und Stadt- Verordnete I.D. Schultze. I.S. Jache. P.C. Kiefel. C.G. Ewald. M. Holztmann. I.C. Abeling. I.M. Barthel. I.C. Hertzberg. Wie die Inschriften zeigten, waren die beiden Glocken also im Jahre 1794 gegossen worden. In dem genannten Jahre wurde ein neuer Rathausturm errichtet, da der alte am 9.Mai 1761 bei Gelegenheit eines in der Bäckerei Linde ausgebrochenen Feuers mit niedergebrannt war. Durch dieses Feuer wurde auch die einzige öffentliche Uhr, welche die Stadt besaß, mitvernichtet. Man behalf sich damit, der Einwohnerschaft die Stunden durch Läuten mit der Kirchturmglocke anzuzeigen. 33 Jahre nach dem Brande wurde mit einem Kostenaufwand von 1600 Talern ein neuer Rathausturm errichtet und mit einer neuen Uhr und zwei Glocken versehen. Beim Aufsetzen des Knopfes auf den neuen Turm am 26.August 1794 wurde von dem Zimmerpolier Plume folgende Rede gehalten:

"Die werthen Herren insgemein, auch Frauen und Jungfrauen groß und klein, sollen all von mir gegrüßet sein. Was ich Euch will berichten, schaut auf zu mir und merket fein, von dieses Thurms Geschichten. Mein Verslein, hoff ich, soll Euch freu´n und Eure Gab Euch nicht gereu´n. So meld ich denn zuerst, wie´s billig ist, daß dieses Thurms erhab´ne Stifterin, Frau Catharina von Braunschweig Herzogin, Markgraf Johannes zu Cüstrin hochselige Gemahlin ums Jahr 1570 gewesen ist, wie man in einer alten Handschrift liest. Verflossen waren bald 200 Jahr, daß Gott den Bau behütete hatte vor Gefahr. Doch ach! Im Jahr 1761, man schrieb den 9.Mai, so sind heut netto 33 Jahr, 3 Monate, 17 Tage vorbei, da war´s, als spät um Mitternacht von grausem Feuerlärm die Stadt erwacht. Des Nachbars Haus, nicht weit von hier (Gott schütze ferner in Gnaden dafür) sah man in hellen Flammen brennen und Alt und Jung zum Löschen rennen, das aber nicht mehr möglich war, drum kam´s an diesen schönen Thurm sogar. Erst brannt es wie ein Lämpelein und warf nur einen schwachen Schein; doch bald stand er in lichten Flammen und stürzte fürchterlich krachend zusammen. Da war er seiner Zier beraubt, in Asche lagen Herz und Haupt. Gewiß denkt der mit Schmerz daran, der sich des noch erinnern kann. Der gute Thurm! So stand er traurig manch liebes Jahr, daß auch kein Fünkchen Hoffnung war, erbaut ihn je zu beben mehr. Drum liefen die Uhren kreutz und quer; die Arbeit zu enden oder zu fangen an. Zur echten Zeit, das wusste kein Arbeitsmann; verkehrt stand´s mit dem nächtlichen hüten, denn irre ging des Nachtwächters Tüten; doch gottlob! Nun wird´s besser steh´n, da wir so unverhofft heut diesen Thurm gerichtet sehn, er wird sein der Stadt zu Nutz und Zier und ein Denkmal rühmlicher Ordnungsbegier. Der Bürgerschaft und Jedem, der dazu beigetragen hat, so reichlich, als man nicht erwartet in dieser Stadt. Des freuen wir uns Alle heut und sind voll Lust und Fröhlichkeit, drum wie das Sprichwort sagen thut: "Was lange währt, wird endlich gut." Der höchste schütze diesen Bau für Wind und Brand und walte über Stadt und Land mit seiner Vaterhand. Nun will ich auch zuguterletzt Eins trinken dann nach löblichem Gebrauch das Gläschen lassen sinken. Es lebe Seine Majestät von Preußen Friedrich Wilhelm II., unser allergnädigster König und Landesvater - hoch und abermals hoch und noch einmal hoch! Es lebe Eine Königlich Preußische Hochlöbliche Neumärkische Kriegs- und Domainenkammer - hoch u.s.w. Es lebe der Herr Krieges- und Domainensteuer-Rath Gülle - hoch u.s.w. Es lebe der Kaufmann Herr Deutsch zu Frankfurt a.O., welcher zu diesem Thurmbau hauptsächlich die Veranlassung gegeben - hoch u.s.w. Es leben die Herren Erimirten hierselbst, so zu diesem Bau beigetragen - hoch u.s.w. Es lebe und blühe die ganze löbliche Bürgerschaft hierselbst - hoch und abermals hoch und noch einmal hoch!"