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Grün ist die Farbe der jüngsten Stadt des Kreises Königsberg NM, die in der bewaldeten Ebene zwischen Mietzel und Darre sich harmonisch in das Landschaftsbild einschmiegt. Wer kennt sie nicht in Jägerkreisen im ganzen deutschen Lande, die Stadt, die den Verlag J. Neumann birgt, der die Zeitschrift "Deutsche Jagd" herausgibt? Wer kennt Neudamm, die Stadt der Tuche und Hüte, nicht? Und noch durch andere Industrien ist diese Stadt weit und breit bekannt. Zu nennen sind die Berlin-Werdersche Früchtekonservenfabrik, die Lederwarenfabrik C. Düringshofen, die Deutschen Maizena-Werke, die älteste Dextrinfabrik Deutschlands, die Fabrik zur Herstellung keramischer Glasuren von Friedrich Tosche, die in Gärtnerkreisen in weiten Gebieten des Reiches bekannte Firma C.R. Jahn, die Gewächshäuser und Frühbeetfenster herstellt, sowie die Firma Schmidt & Jahn, Holzindustrie.

Daß aber diese Stadt, die - wenn man sich ihr nähert - durch ihre rauchenden Schlote wie eine Großstadt wirkt, alles bietet, was zur Erholung und Entspannung des Menschen dient, ist noch zu wenig bekannt. Neudamm ist eine Stadt im Grünen. Bis dicht an den Stadtkern heran, einige Außengebiete noch einschließend, schiebt sich der märkische Kiefernwald. Mitten im Weichbild der Stadt schimmert die klare Fläche des Stadtsees, an dessen Ufern Laubgehölze grünen. Schmuckanlagen aller Art mit unzähligen Rosen beleben das Straßenbild. Himmlische Ruhe lagert über dem Ganzen. Man empfindet es kaum, daß irgendwo Webstühle rattern und Maschinenräder sich rasselnd drehen. Kein störender Laut durchdringt den Kleinstadtfrieden. Selbst der Straßenverkehr wird kaum empfunden, obwohl diese Stadt an der Fernverkehrstraße 112 gelegen ist, die den Verkehr von Küstrin nach dem Nordosten der Mark Brandenburg vermittelt. Der Bahnhof liegt inmitten der Stadt. Die Eisenbahnverbindungen über Küstrin nach Berlin, Stettin und Ostpreußen sind günstig. Bald wird auch die Ostoderlinie der Reichsautobahn nahe an Neudamm vorbeigeführt und durch die Zubringerstraße mit Neudamm verbunden werden.

Die Wanderung rings um den Stadtsee bietet dem Beschauer abwechslungsreiche Bilder und naturschöne Ausblicke. Dort lugt über hohen Bäumen der wuchtige Wasserturm als Wahrzeichen der Stadt hervor. Hinter blühenden und fruchtenden Gärten grüßen rote Ziegelhäuser herüber. Weithin breiten sich die Siedlungen auf dem Gelände der früheren Staatsdomäne aus. Eine Reihe hübscher Holzhäuser mit reizenden Vorgärten begrenzen die Ostmärkerstraße, wo sich hinter schönen Landhäusern der mächtige Bau der größten Turnhalle der Neumark erhebt. Ein Sportplatz schließt sich daran an, ein zweiter liegt mitten im Walde am Rande der Stadt. Vor wenigen Jahren hat die Stadtverwaltung am Nordende des Stadtsees eine Badeanstalt von großer Schönheit errichtet. Durch Grünanlagen und Rosenbeete hindurch führen die Zugangswege zum Bad. Weit dehnt sich der Strand, Sand und Liegewiesen bieten Hunderten Gelegenheit zum Ausruhen. Eine Baumgruppe, darunter eine uralte Kastanie, spendet Schatten. Durch einen künstlichen Kanal abgetrennt ladet eine kleine Insel als Liegewiese zum Lagern ein. Alles ist neuzeitlich eingerichtet. In der Badeanstalt sind auch Unterstellräume für Paddel- und Faltboote vorhanden, denn von hier aus lohnt sich eine Bootsfahrt die Hirschlanke hinauf, was mit zu dem Schönsten dieser Art gehört.

Der Wald bietet Gelegenheit zu herrlichen Spaziergängen und langen Wanderungen. Idyllisch liegt die "Kleine Mühle" an der Hirschlanke. Nach einer weiteren Strecke von 20 Minuten erreicht man - vorbei am "Waldkater" - die Tramnitzbrücke mit einem Wasserfall, und von hier aus in wenigen Minuten die Berneuchener Seen. In Berneuchen bietet sich Gelegenheit, die Karpfenzucht kennenzulernen, die hier seit Jahrzehnten in künstlichen Teichen betrieben wird. Andere Wanderwege führen über den Feuerturm nach Bornhofen, nach dem 4 km entfernten Kerstenbrügge und zum lieblichen Mietzeltale. Die Mietzel, die an der Stadtgrenze entlang führt, bietet mit ihren Windungen zwischen saftigen Wiesen und bewaldeten Hügeln wundervolle Bilder. Darüber vergisst der Wanderer seine Alltagssorgen und sicher auch eine aus irgendwelchen Gründen abgesagte Fahrt in bekanntere deutsche Ausflugsgegenden. Eine kurze Fußwanderung führt den Besucher zu Hohen Feld und zur Karrheide, wo er auf unberührte Waldgebiete stößt. Wen es aber weiter hinauslockt in die waldreiche Umgebung der Stadt, der kann Massin erreichen mit seinen prächtigen Waldseen, oder die Udowaldmühle bei Vietz und die Kuckucksmühle bei Grünrade.

Wie schon anfangs gesagt: Neudamm ist eine junge Stadt, kaum 350 Jahre sind seit ihrer Entstehung vergangen, in der Geschichte der Städteentwicklung eine kurze Spanne Zeit. Keine Mauern, Stadttore und Türme künden von verklungenen Jahrhunderten. Die ältesten Gebäude sind die Papiermühle, die zur Zeit Friedrichs des Großen der Herstellung amtlicher Papiere diente, und das alte Amtshaus, worin einst Katharina, die Gemahlin des Markgrafen Hans von Cüstrin, residierte.

Dafür weht aber ein neuer, frischer Geist durch diese Ansiedlung, die durch Gewerbefleiß in weiten deutschen Landen bekannt geworden ist und darüber hinaus sich glücklich "Stadt im Grünen" nennen darf.

Dieser Bericht wurde dem "Kreiskalender Königsberg NM" 1940 entnommen.