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Quartschen (heute: Chwarszczany) war ein kleiner Ort zwischen Küstrin und Neudamm mit etwa 500 Einwohnern und hatte eine königliche Domäne. Diese bestand aus einem herrlich großen Gutshof mit einem stattlichen Wohnhaus, zwei großen Familienhäusern, einer Brennerei, gut gebauten Stallungen für Pferde und Rindvieh, und etwas seitlich stand die schöne, alte Klosterkirche. Der Dom stellt in seiner eigenartigen Bauweise etwas Besonderes dar.

Das hohe gotische Kirchenschiff aus dem 12. Jahrhundert vermittelt jedem Beschauer einen eindrucksvollen Einblick in die Kirchenbaukunst in unserer Heimat. Einst haben hier Mönche, aber auch Ritter gelebt. Die Ritter, so wusste man zu berichten, benutzten unterirdische Gänge, um von ihren Streifzügen wieder unbemerkt in die eigenen Räume zu gelangen. Oft waren die Leidtragenden die Bauern von Darrmietzel, Zicher und Zorndorf. Die Bauern von Darrmietzel hatten noch bis ins 18. Jahrundert als Büdner, Kossäten und Freihäusler bestimmte Fronarbeiten und Gespanndienste zu leisten.

Zu dieser Domäne gehörte eine etwa 100ha große Bruchlandschaft, die nach der Trockenlegung als Wiese genutzt wurde. Dieses Bruch des königlichen Hofes war das Hofebruch. Es lag zwischen den Orten Quartschen, Darrmietzel und Zicher. In der Schlacht bei Zorndorf im Jahre 1758 gerieten hier Teile der russischen Truppen in den damaligen Sumpf. Für uns Kinder vom Zicherschen Feld war das Hofebruch ein idealer Tummelplatz. Die Weite des Bruches mit nur knappem Baumbestand und einer am Hang gelegenen Quelle mit klarem, kühlem Wsser war so etwas wie die Prärie für die Prärieindianer. Und so durchstreiften wir die Ebenen des Bruches, hielten Ausschau nach allerlei Getier: Krähen, Hasen, Rehe, Füchse, die an der Quelle ihren Bau hatten, und auch Wildschweinspuren waren zu finden. Unsere größten Feinde waren die Blutegel in den Gräben der Wiese; wollte man sich etwas abkühlen und ging mit den Füßen ins Wasser, dann saßen sofort ein halbes Dutzend und mehr Egel an den Beinen.Wir beschlossen sie dann auf alle möglichen Weisen zu vernichten.

Wenn wir großes Glück hatten, fanden wir in den Gräben auch noch ein altes Bajonett oder ein Stück einer Kanonenkugel von 1758. Es war eine schöne Zeit, hier im Sommer durch das Hofebruch zu streifen. Manchmal wurde es aber kritisch für uns; tauchte eine unbekannte Person aus Richtung Quartschen auf, so heiß es sofort: "Der Amtmann kommt!" Und alles ging in Deckung, oder wir verzogen uns durch den Hohlweg nach Hause. Kam aber jemand aus Richtung Zicher, so konnte es nur unser Freund Arnold Hübner, der Sohn eines Hofebruchbauern (Hübner und Reichert) nahe Zicher, sein. Wir dachten sicher zu oft an die Anekdoten vom Gutsverwalter in Quartschen aus der Zeit Friedrichs des Großen, wie sie mein Vater manchmal erzählte:

Einst ritt der Alte Fritz von Küstrin kommmend zum Hofebruch, umging aber links Zorndorf und ritt dabei über die Äcker des Gutes in Quartschen. Der Gutsverwalter, der den König nicht kannte, spürte den Reiter auf, stellte ihn kurz zur Rede und verabreichte ihm sofort drei Schläge mit einem Stock. Einige Tage später schickte der Alte Fritz seinen Adjutanten noch einmal in dieses Gebiet, ohne etwas von dem Vorfall in Quartschen zu erwähnen. Der Gutsverwalter erwischte auch den Adjutanten und verabreichte ihm ebenfalls die Prügel. Als der Alte Fritz den zurückkehrenden Adjutanten sah, fragte er ihn: "Wie viel hat er denn bekommen?" Da war der Adjutant sprachlos und machte ein verdutztes Gesicht. Das Gelächter des Alten Fritzen aber wollte kein Ende nehmen.

G.G.